Sonntag, 24. Juni 2012

Finanzministerium warnt vor Euro-Crash


24.06.2012, 09:47 Uhr


Immer neue Belastungsproben für die Eurozone (Quelle: Thinkstock by Getty-Images)

Stimmungsmache oder realistische Einschätzung? Das Bundesfinanzministerium in Berlin hat ein düsteres Szenario im Fall eines Euro-Crashs gezeichnet, wie der "Spiegel" in seiner neuesten Ausgabe berichtet. Ein Auseinanderbrechen der Euro-Zonein der Schuldenkrise hätte für die deutsche Wirtschaft katastrophale Folgen, zitiert das Blatt aus einem internen Bericht des Ministeriums. Nicht von ungefähr bekräftigte Finanzminister Wolfgang Schäuble diese Linie im Interview mit dem Magazin.

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Euro-Rettung als kleineres Übel

Laut "Spiegel" gibt es in dem internen Bericht aus dem Ministerium ein Szenario, wonach der Wachstumseinbruch im ersten Jahr nach Wiedereinführung einer eigenen deutschen Währung bis zu zehn Prozent betragen würde. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland würde demnach wieder auf mehr als fünf Millionen steigen.

Das Finanzministerium habe seine Einschätzung bislang unter Verschluss gehalten, aus Angst, die Kosten einer Euro-Rettung nicht mehr unter Kontrolle halten zu können. "Gemessen an solchen Szenarien erscheint eine noch so teure Rettung als kleines Übel", zitiert der "Spiegel" einen nicht näher definierten Beamten.

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Schäuble zeichnet drastisches Bild

Derweil warnte Finanzminister Wolfgang Schäuble im Gespräch mit dem "Spiegel" davor, die gemeinsame Währung aufs Spiel zu setzen. Es bestehe "die Gefahr, dass bei einem Auseinanderbrechen des Euro" viele Errungenschaften wie der gemeinsame Binnenmarkt oder die Reisefreiheit in Frage gestellt würden.

Bleibt anzumerken, dass Reisefreiheit und ein Binnenmarkt schon vor Einführung der Gemeinschaftswährung bestanden hatten. Auch der deutschen Wirtschaft ging es nicht schlecht.

Keine Eurobonds ohne Kontrolle der Gelder

"Aber ein Auseinanderbrechen der EU wäre doch absurd. Die Welt rückt immer enger zusammen, und in Europa würde jedes Land wieder seine eigenen Wege gehen? Das kann, darf und wird nicht sein! ", fuhr Schäuble fort. Und weiter: "Wir müssen in wichtigen Politikbereichen mehr Kompetenzen nach Brüssel verlagern, ohne dass jeder Nationalstaat die Entscheidungen blockieren kann."

Als Beispiele habe Schäuble eine Weiterentwicklung der EU-Kommission zu einer Regierung, eine Stärkung des EU-Parlaments und die Direktwahl eines Präsidenten genannt. Schäuble lehnte Eurobonds weiterhin ab, solange es keine Fiskalunion gebe, in der Nationalstaaten Kompetenzen in der Haushaltspolitik abträten.

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Auch auf die Frage, wie die Fiskalunion aussehen müsse, damit Deutschland europäische Staatsanleihen akzeptiere, äußerte sich Schäuble.

"Im Optimalfall gäbe es einen europäischen Finanzminister. Der hätte ein Vetorecht gegen einen nationalen Haushalt und müsste die Höhe der Neuverschuldung genehmigen. Wofür die Länder das bewilligte Geld ausgeben würden [...], bliebe ihnen innerhalb der genehmigten Obergrenze überlassen."

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Volksabstimmung zur neuen Euro-Zone möglich

Angesichts einer notwendigen weiteren politischen Integration der EU-Mitgliedsstaaten hält es Schäuble dem "Spiegel" zufolge für möglich, dass schon in wenigen Jahren ein neues Grundgesetz zur Abstimmung stehen könnte.

"Vor ein paar Monaten hätte ich noch gesagt: In fünf Jahren? Nie im Leben! Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher", sagte Schäuble dem Magazin auf die Frage nach den Grenzen der deutschen Verfassung und einem möglichen Europa-Referendum.