Dienstag, 12. Juni 2012

Deutsche Wirtschaft: Vorbereitung auf Euro-Crash


Die deutsche Wirtschaft bereitet sich auf den Euro-Crash vor. „Manche Unternehmen versuchen, ihre flüssigen Mittel aus den Krisenländern so weit wie möglich abzuziehen, um der Gefahr zu entgehen, dass die Guthaben nach einem Euro-Austritt plötzlich etwa in Drachme umgewandelt werden."

Die deutsche Wirtschaft stellt sich in der Euro-Krise inzwischen auf das Schlimmste ein. Laut Recherchen der „Welt am Sonntag“ unter Konzernen, den von ihnen engagierten Unternehmensberatungen und Großkanzleien sind die Vorbereitung für einen Euro-Crash in vollem Gange. „Ratschläge für einen Euro-Exit Griechenlands oder andere Verschärfungen der Krise sind extrem gefragt derzeit“, sagt Linklaters-Partner Andreas Steck.

Linklaters hat derzeit allein in Deutschland rund 20 Anwälte auf dieses Thema angesetzt. „Manche Unternehmen versuchen, ihre flüssigen Mittel aus den Krisenländern so weit wie möglich abzuziehen, um der Gefahr zu entgehen, dass die Guthaben nach einem Euro-Austritt plötzlich etwa in Drachme umgewandelt werden.“ Laut Max Falckenberg, Partner bei Roland Berger Strategy Consultans, ist die Verunsicherung noch einmal gestiegen, „nachdem die ersten Warenversicherer begonnen haben, Exporte nach Griechenland nicht mehr zu versichern“. „Es ist wie bei einem Unternehmen, das kurz vor der Insolvenz steht: Man ist extrem vorsichtig mit Verträgen jeder Art und versucht, die Risiken zu minimieren, wo es geht.“

Zu Beginn der Euro-Krise, vor mehr als zwei Jahren, hatten sich viele deutsche Unternehmen noch damit begnügt, Notfallpläne zu erstellen – um sie dann in die Schublade zu legen. Inzwischen jedoch wird gehandelt. „Die meisten Unternehmen warten nicht darauf, dass es weiter eskaliert“, sagt Thomas Poppensieker, der in Deutschland für McKinsey die Beratung im Bereich Risikomanagement verantwortet. „Die schauen sich längst an, wie exponiert sie gegenüber einzelnen Ländern wie Spanien sind und wie exponiert die einzelnen Geschäftspartner dort sind.“ Dafür ist es auch höchste Zeit, glaubt Maximilian von Rom, ein Partner der Kanzlei Gleiss Lutz: „Wenn die Krise eskaliert, und ein Unternehmen muss erst seine Verträge aus dem Keller holen, dann hat es wertvolle Zeit verloren.“

Dabei steht nicht mehr allein Griechenland im Fokus der Unternehmen. „Auch mit Blick auf andere Euro-Zonen-Mitglieder wie Spanien und Italien versuchen Unternehmen ihre Risiken zu minimieren“, sagt Daniel Stelter, ein Partner der Boston Consulting Group (BCG). Ein süddeutscher Großkonzern bestätigte hinter vorgehaltener Hand, dass die Finanzabteilung in der Zentrale täglich kontrolliert, wie sich die Kontosalden der spanischen Tochtergesellschaft entwickeln; Geld, das nicht zwingend in Spanien gebraucht wird, wird abgezogen.

„Die Vorsichtsmaßnahmen der Unternehmen bestehen beispielsweise darin, dass man südeuropäischen Geschäftspartnern kürzere Zahlungsziele setzt“, ergänzt Ilja Nothnagel, Außenwirtschaftsexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Zu den Unternehmen, die nach eigenem Bekunden so vorgehen, zählt Adidas.

Ein besonderes Problem stellt die Informationstechnologie (IT) dar. So weiß niemand sicher, ob Buchungssysteme weiter verlässlich ihre Arbeit tun würden, wenn anstelle des Euro eine ganze Reihe von Währungen treten würde, sagt Michael Kliger, ein Handelsexperte des Beratungsunternehmens Accenture. Kliger berichtet von einem großen deutschen Handelsunternehmen, das sich schon genau darauf vorbereitet hat – und „inzwischen so weit ist, dass es in kürzester Zeit wieder mit einer Vielzahl von Währungen in Europa arbeiten könnte“. Allerdings lassen sich nicht alle Risiken minimieren. Rewe-Touristik (Tjeaereborg, Jahn Reisen) muss damit leben, dass in der Branche Vorauszahlungen üblich sind. Man sei „einem Risiko durch eine Wiedereinführung der Drachme ausgesetzt“, heißt es. Denn „eine finanztechnische Absicherungsmöglichkeit einer nicht existierenden Währung gibt es derzeit nicht“.

Schon heute bewegt die Wirtschaft zudem die Frage, wie sich im Fall des Falles Kosten sparen und neue Märkte gewinnen lassen würden: „In vielen deutschen Unternehmen besteht die Reaktion auf die erneute Verschärfung der Euro-Krise vor allem darin, dass man sich überlegt, wie sich das verloren gegangene Geschäft in den Krisenländern außerhalb der Euro-Zone kompensieren lässt“, sagt Anton Börner, Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands BGA. Wie Börner hält es Harald Völker, der Finanzvorstand des Maschinen- und Anlagenbauers Trumpf, für denkbar, dass Europas Wirtschaft „insgesamt in schweres Fahrwasser gerät“. Darauf, so der Manager, „wollen und werden wir vorbereitet sein“.