Freitag, 15. Juni 2012

CDU-Wirtschaftstag : Europas dreieinhalb Horrorszenarien

von Henning Krumrey

Die Großbank UniCredit bereitet sich schon mal auf die Euro-Apokalypse vor: Beim Wirtschaftstag der CDU schockt Bankvorstand Theodor Weimer (Uni Credit Bank AG) mit provokanten Thesen.


„Das System ist: Die spanische Regierung rettet die spanischen Banken, und die spanischen Banken retten die spanische Regierung“, sagte Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und kritisierte das europäische Hilfsprogramm für Spaniens Banken als „Voodoo-Ökonomie“.Quelle: AP

Theodor Weimer weiß, wie man Neugier weckt. Also lässt der Sprecher des Vorstands der UniCredit Bank AG fast beiläufig fallen, dass er gerade heute noch in seinem Führungsgremium beraten habe, „was wir für Notfallprogramme machen, falls am Wochenende etwas passiert“. Ein Raunen geht durch den Saal beim Wirtschaftstag des Wirtschaftsrates der CDU. Auf Nachfragen wiegelt er ein wenig ab: Am Freitag bespreche man noch mal, ob man sich am Sonntag zur Sitzung trifft. „Man will ja nicht derjenige sein, der den letzten Euro irgendwohin überweist“. Soll heißen: Wenn Griechenland schon am Wahl-Wochenende kollabiert, darf nicht gerade sein Haus noch Summen in harter Währung ausreichen in ein Land, das bald nur noch mit weicher Drachme zurückzahlen könnte. Aber, so beruhigt Weimer ein wenig, die Wahrscheinlichkeit für das Horrorszenario liege ja „weit unter 50 Prozent“. Aber 42 Prozent ist halt auch schon fast fifty-fifty.
Mit provokanten Thesen hielt Weimer die Zuhörer in Atem. „Jeder vernünftige Banker tut gut daran, aus Staatsanleihen auszuscheiden“, lautete eine Kostprobe. Die Begründung folgt allerdings schlagend: Es habe schon Ausfälle gegeben, und „wir müssen davon ausgehen, dass bei einigen die Rückzahlung in anderer Währung erfolgen wird“. Außerdem hätte man „auf die harte Tour gelernt“, dass Staatsschulden nicht wirksam versicherbar seien. Denn nach dem griechischen Schuldenschnitt konnten die geprellten Gläubiger nicht auf die teuer bezahlten Kreditausfallversicherungen zurückgreifen. Politisch gewollt wurde festgelegt, dass dieser Schuldenschnitt kein Ausfallereignis im Sinne der Policen sei. Daraus ergibt sich für Weimer drittens, dass die privaten Geldgeber von Staaten „nachrangige Gläubiger“ seien, die eben nicht so gut gesichert seien wie öffentliche Institutionen. Denn der Schuldenschnitt kappte nur ihre Ansprüche.

Ebenso misslich sei für die Geldhäuser, dass der europäische Binnenmarkt in der Finanzbranche nicht mehr funktioniere. Die Störung der Finanzmärkte führe dazu, dass sich sein Haus teurer refinanzieren müsse als „meine Kunden, denen ich eigentlich Kredite geben soll“. Der Trend gehe zurück zur Nationalstaaterei. Inzwischen sei für die Refinanzierung eines Geldinstituts nicht mehr seine Bonität ausschlaggebend, sondern „der Sitz des Headquarters“, so Weimer. In Deutschland ließe sich das Geld günstiger aufnehmen als in anderen Staaten der Euro-Zone. „Also wäre jede italienische Bank gut beraten, wenn sie ihren Sitz in München nähme“, fügte der Chef jenes Instituts mit einem Schmunzeln an, das vor ein paar Jahren noch als HypoVereinsbank firmierte, bevor die italienische Unicredit es übernahm.



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Geschickt lenkten die USA von ihren heimischen Finanz- und Haushaltsproblemen ab, indem sie auf die Europäer zeigten. Allerdings hätten die Amerikaner einen großen Vorteil, nämlich einen mächtigen Verbündeten: „Die USA brauchen China als Finanzirer ihrer Schulden. Und China braucht die USA als zuverlässigen Schuldner und Absatzmarkt für seine Produkte.“ China habe daher überhaupt kein Interesse an einem schwachen Dollar. Doch wenn man sich die Finanzströme genau anschaue, „finanziert sich China seine Exporte selbst“. Das ist freilich dasselbe Exportmodell, das auch Deutschland betreibt.
Dessen guter Stand im internationalen Wettbewerb basiere allerdings darauf, dass „Deutschland eigentlich gedopt“ ist. „Unser Erfolg wird gespeist von niedrigen Zinsen.“ Dies seien „Windfall profits“ der europäischen Schuldenkrise, die das Land noch teuer zu stehen kommen würden. „Es droht ein Kostenschock für die öffentlichen Haushalte, wenn es mal wieder zu Zinserhöhungen kommt.“ Zudem sei in allen Staaten die implizite Verschuldung als Problem vernachlässigt, also die künftigen Zahlungsverpflichtungen beispielsweise für die Altersversorgung.

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Als Lösung malte Weimer gleich dreieinhalb Horrorszenarien an die Saalwand: Inflation – das sei die Pest; eine Währungsreform – das wäre die Cholera; und ein Schuldenschnitt, „was wohl mit Fleckfieber zu bezeichnen wäre“. Am günstigsten sei da noch eine Kombination aus etwas Schuldenschnitt, wie es das Beispiel Griechenland gezeigt habe, etwas Inflation, wie sie in Kreisen der Europäischen Zentralbank schon diskutiert werde, und drastischem Sparen. Wenn das Gelinge, so der UniCredit Bank-Vorstand, sei das allerdings „ein Fall für die Geschichtsbücher“.